ISSN: 2167-7670
André Leschke1, Florian Weinert, Maximillian Obermeier, Stefan Kubica und Vincenzo Bonaiut
Die Erkennung von Unfallszenarien ist für eine rechtzeitige Auslösung von Rückhaltemitteln und damit für einen optimalen Schutz der Fahrzeuginsassen unerlässlich. Basierend auf einem innovativen Konzept zur Crasherkennung, bei dem komponentenbezogene lokale Verzögerungen gemessen werden, wird in diesem Beitrag eine völlig neue Methode zur Simulation und Bewertung vorgestellt und anhand einer umfassenden Menge an Crashlastfällen abgeschätzt. Bei diesem Ansatz werden Verzögerungen an zahlreichen Einzelkomponenten im Vorderwagen direkt erfasst und in kleinen Zeitintervallen in eine Geschwindigkeitsreduzierung integriert. Eine Auswertung auf Basis multivariater statistischer Methoden zeigt, dass der Informationsgehalt, der sich aus der Überschreitung einer definierten Geschwindigkeitsreduzierungsschwelle pro Messpunkt ergibt, ausreicht, um alle relevanten Lastfälle mit einem hohen Grad an Unabhängigkeit sicher zu unterscheiden und zu klassifizieren. Das Konzept hat sich damit als funktionsfähig erwiesen und wird in erste Testreihen überführt. Bei einem Unfall besteht die Hauptaufgabe von Airbagalgorithmen darin, eine rechtzeitige Auslösung von Rückhaltemitteln sicherzustellen. Basierend auf diesen Anforderungen wird zunächst ein Algorithmus entwickelt und anschließend fahrzeugspezifisch angepasst. Seine Leistungsfähigkeit wird dann durch Crashtests spezifischer, vom Gesetzgeber und von Verbrauchertestorganisationen geforderter Lastfälle unter reproduzierbaren Bedingungen verifiziert. Tabelle 1 zeigt einen solchen typischen Testsatz. Alle diese Fire-Lastfälle müssen unterschieden werden und eine rechtzeitige Auslösung der notwendigen Rückhaltemittel muss sichergestellt werden. Konventionelle Frontalkollisionsalgorithmen, die heute Stand der Technik sind, verwenden zur Unterscheidung die Messung der Gesamtfahrzeugverzögerung während eines Crashs. Demgegenüber gibt es NoFire-Lastfälle wie in Tabelle 1 beschrieben, die zwar ebenfalls zu einer erheblichen kurzfristigen Belastung oder Verzögerung des Fahrzeugs führen, jedoch keine Gefahr für die Fahrzeuginsassen darstellen. In diesen Fällen ist es zwingend erforderlich, eine unnötige Auslösung der Rückhaltemittel zu vermeiden.
Der in diesem Beitrag beschriebene Ansatz verwendet eine völlig andere Messmethode. Neben der Fahrzeugverzögerung sind der zeitliche Ablauf eines Unfalls und die daraus resultierende Fahrzeugzerstörung in Raum und Zeit eindeutige Indikatoren für die Unfallschwere. Abbildung 1 illustriert die Zerstörung einer Fahrzeugfront für einen Crashtyp bei zunehmenden Crashgeschwindigkeiten. Die Lastbedingungen werden mit PAM-Crash simuliert, einem hochmodernen Tool zur Crashsimulation auf Basis realer FEM-Modelle von Fahrzeugen. Die Zerstörung der Fahrzeugfront nimmt mit den Crashdaten zu, das Fahrzeug wird mithilfe der x-, y- und z-Achsen des Fahrzeugkoordinatensystems in geometrische Zonen unterteilt. Das Frontend-Design von Mittelklasse-Pkws führt zu einer Unterteilung in 11 Ebenen auf der x-Achse, 13 Ebenen auf der y-Achse und 3 Ebenen auf der z-Achse. Die Anzahl der Ebenen für jede Achse ergibt sich aus den Abmessungen der Fahrzeugfront, da alle 100 mm eine Sensorposition vorhanden sein sollte. Die Verwendung eines engeren Netzes führt nicht zu besseren Informationen, da die Größe der Bauteile und die geometrischen Einschränkungen des Bewegungsverhaltens eine weitere Auflösung der Beschleunigungssignale nicht zulassen und erfordern. In einem realen Modell müssen die Sensoren an einem Bauteil neben ihrer geplanten Position platziert werden. Wie Abbildung 2 zeigt, kann man jedoch insgesamt innerhalb eines kontinuierlichen, nahezu symmetrischen Rasters bleiben. Die integrierten Verzögerungssignale werden zur Bewertung des Lastverhaltens verwendet. Für jedes Integrationsintervall (t = 0,5 ms) steht dann ein Geschwindigkeitsabbauwert zur Verfügung. Ausgehend vom Aufprallpunkt des Crashgegners breiten sich die gemessenen Verzögerungen im Fahrzeug aus und erzeugen (bei Integration) ein für den Crash charakteristisches lokales Geschwindigkeitsabbaumuster, eine sogenannte Heatmap. Anhand einer Farbskala von grün bis rot zeigen die Messpunkte an, wo definierte Geschwindigkeitsabbauschwellen (VRT) überschritten wurden.